Behandlungsmöglichkeiten des Prostatakarzinoms

Bei Männern ist der Prostatakrebs der am häufigsten vorkommende bösartige Tumor und die zweithäufigste Todesursache durch Krebs. Trotzdem nimmt er im Vergleich zu vielen anderen bösartigen Tumoren er eine Sonderstellung ein, da er sich meistens eher langsam und über viele Jahre weiterentwickelt. Unbehandelt führt nur ein verhältnismäßig geringer Anteil aller Prostatakarzinome zu schwerwiegenden Komplikationen wie Knochenmetastasen oder zum Tod. Gerade weil jedoch der Prostatakrebs so häufig vorkommt ist die Zahl der tatsächlich Betroffenen dennoch nicht gering. Daher ist es ein Irrtum zu glauben, Prostatavorsorge sei überflüssig.

 

Prostatakrebs ist nicht gleich Prostatakrebs. Das Spektrum reicht hier von relativ harmlos bis hochaggressiv. Bei weitem nicht jeder Prostatakrebs muss umgehend behandelt werden. Um eine seriöse Entscheidung hierüber treffen zu können ist es jedoch notwendig, möglichst gut über den Charakter des Tumors wie Aggressivität und Ausdehnung Bescheid zu wissen. Weitere wichtige Entscheidungskriterien sind Alter und Begleiterkrankungen des Patienten und damit - soweit dies überhaupt vorhersagbar scheint - seine Lebenserwartung.

 

Zur Abschätzung der Aggressivität eines Prostatakarzinoms wird vor allem der sogenannte Gleason-Score herangezogen, ein Punktewert zwischen 5 und 10, welcher sich aus dem mikroskopischen Befund ergibt. Weiters von Interesse ist die Tumorausdehnung innerhalb der Prostata, und ob der Tumor auf die Prostata beschränkt ist, die Organkapsel bereits durchbrochen hat oder gar Metastasen (Absiedelungen) gesetzt hat. Eine zusätzliche Entscheidungsgrundlage bezüglich einer Krebsbehandlung bildet die Höhe des PSA-Wertes.

 

Es ist weitgehend unbestritten, dass eigentlich zu viele Prostatakarzinome behandelt werden. Die größte Schwierigkeit liegt letztlich in der Abschätzung, welcher Patient einer Behandlung bedarf und wem man besser die Nebenwirkung einer Behandlung ersparen könnte. Gerade für weniger aggressive Tumore haben sich daher folgende beiden Beobachtungsverfahren etabliert:

Active Surveillance

 

Die "aktive Überwachung" kommt für jüngere Patienten mit hoher Lebenserwartung in Frage, bei denen trotz eines weniger aggressiven Prostatakarzinoms eher eine Ausheilung anzustreben wäre. Hierbei werden vierteljährlich PSA und Tastbefund erhoben und üblicherweise nach einem halben Jahr eine Kontrollbiopsie (nochmalige Probenentnahme aus der Prostata) entnommen um sicherzugehen, dass  der Tumor nicht unterschätzt wurde. Idealerweise sollte vor der Kontrollbiopsie eine MRT (Kernspintomographie) der Prostata durchgeführt werden. Die weitere Beobachtungsstrategie wird individuell festgelegt.

Ist in einer Kontrollbiopsie eine fortschreitende Ausdehnung oder eine Wesensänderung zu einem gefährlicheren Wachstumsmuster des Tumors zu erkennen, sollte eine Behandlung welche zur kompletten Ausheilung geeignet ist (üblicherweise Radikale Prostatektomie oder Bestrahlung) in die Wege geleitet werden.

 

Die Kriterien für eine aktive Überwachung sind ein niedriger Gleason-Score von maximal 6 und ein niedriger PSA-Wert unter 10 ng/ml. Weiters sollten insgesamt höchstens zwei Proben befallen sein, und dies lediglich in einem Ausmaß von maximal 50%.

Sind diese vier Kriterien erfüllt, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden dass durch ein Zuwarten die Heilungschancen im Vergleich zu einer unmittelbaren Behandlung nicht verringert werden. Dafür kann eine Behandlung mit all ihren unerwünschten Folgen meist einige Jahre aufgeschoben bzw. gelegentlich überhaupt vermieden werden.

 

Watchful Waiting

 

Diese Variante des "aufmerksamen Zuwartens" zielt nicht auf eine vollständige Heilung ab, sondern lediglich auf eine Vermeidung von Komplikationen durch Metastasen oder ein unkontrolliertes Tumorwachstum. Viertel- bis halbjährlich wird der PSA-Wert bestimmt, eine Behandlung (üblicherweise Hormonentzug) wird begonnen wenn der PSA-Wert sehr hoch ist oder rasch anzusteigen beginnt. Außerdem sollte bei Nachweis von Metastasen unbedingt behandelt werden.


Bei Patienten mit guter Lebenserwartung und einem auf die Prostata begrenzten Tumor sollte eine Ausheilung angestrebt werden. Dies wird üblicherweise chirurgisch oder mithilfe radioaktiver Bestrahlung versucht.

 

Daneben wurden eine Reihe von Verfahren entwickelt, welche durch Einwirkung von Hitze oder Elektrizität in der Lage sind, das Krebsgewebe zu zerstören ohne jedoch die ganze Prostata zu opfern. Echte Langzeitdaten hierzu fehlen allerdings, weswegen der Stellenwert dieser Behandlungen (beispielsweise IRE oder HIFU) derzeit offen bleiben muss. Generelle Behandlungsempfehlungen sind somit nicht möglich, eine solche Therapieentscheidung kann nur individuell und im Rahmen eines ausführlichen Beratungsgespräches getroffen werden, welches vor einer derart einschneidenden Entscheidung ohnehin selbstverständlich sein sollte.

 

Achten Sie dabei auf universelle Heilsversprechen. Diese sind (gerade im privaten Sektor) ein verlässlicher Indikator für fehlende Seriosität und Objektivität.

Radikale Prostatektomie

 

Unter einer radikalen Prostatektomie versteht man die chirurgische Komplettentfernung der Prostata mit Samenblasen und - je nach Aggressivität des Tumors - eventuell auch der dazugehörigen Beckenlymphknoten.

 

Hierzu stehen vier verschiedene Techniken zur Verfügung:
  • offene radikale Prostatektomie: Der Zugang erfolgt über einen Längsschnitt im Unterbauch entlang der Mittellinie, operiert wird unter direkter Sicht. Vorteil ist die üblicherweise raschere Operationsdauer, zudem kann anstelle einer Allgemeinnarkose ein Kreuzstich angewandt werden.
  • perineale radikale Prostatektomie: Der Zugang erfolgt über einen Schnitt im Dammbereich, also der Gegend zwischen Hodensack und Anus. Eine Lymphknotenentnahme ist hierbei nicht möglich. Diese Technik wird heute nur noch selten angewandt, kann jedoch in speziellen Situationen immer noch von Vorteil sein, insbesondere wenn über einen Zugang durch den Bauchraum vermehrte Komplikationen zu erwarten sind. Beispiele hierfür wären ausgedehnte Voroperationen oder Entzündungen im Bauchraum oder eine stattgehabte Nierentransplantation.
  • laparoskopische radikale Prostatektomie: Über mehrere kleine Einschnitte erfolgt die Operation im "Schlüssellochverfahren". Vorteile sind der geringere Blutverlust, geringere Schmerzen und die raschere Erholung des Patienten nach der Operation. Erkauft wird dies durch eine längere Operationsdauer. Zudem ist eine Operation nur mit Kreuzstich nicht möglich, da in jedem Fall eine künstliche Beatmung vonnöten ist.
  • roboterassistierte laparoskopische radikale Prostatektomie: Hierbei handelt es sich um eine technisch noch weiter ausgefeilte Variante der Laparoskopie, bei der die Operationswerkzeuge nicht direkt in den Händen des Operateurs liegen, sondern an beweglichen Roboterarmen befestigt sind, welche vom Chirurgen über eine Konsole abseits des Operationstisches ferngesteuert werden. Hierdurch lassen sich die Instrumente um einiges flexibler bewegen, was Manöver ermöglicht die mit der klassischen Laparoskopie nicht oder jedenfalls umständlicher möglich sind. Entgegen der missverständlichen Laienwahrnehmung ist es aber nicht der "Roboter", der operiert, sondern immer noch der Mensch. Der "Roboter" agiert nicht eigenständig und ist lediglich ein Werkzeug in Händen des Operateurs. Wegen der dahinterstehenden aufwändigen und tatsächlich beeindruckenden Technik lässt sich dieses Verfahren in unserer technikaffinen Zeit als besonders elegant vermarkten.

 

Gemessen an ihren Ergebnissen sind offene, laparoskopische und roboterassistierte Prostatektomie nach wie vor als gleichwertig anzusehen. Naturgemäß sieht jeder Operateur vor allem die Vorteile seiner eigenen Methode, nachweisliche Unterschiede sind bislang aber weder hinsichtlich der Heilungsrate noch der funktionellen Ergebnisse (sexuelle Potenz, Harnkontinenz) nachweisbar. 

Der ausschlaggebende Faktor für den Behandlungserfolg und das körperliche Wohlbefinden auch nach der Operation ist nach wie vor der Operateur, der mit seiner Methode umzugehen versteht - welche das auch immer sein mag.

Die möglichen Folgen einer Prostatektomie sind nicht von der Hand zu weisen. Viele Patienten leiden nach der Operation zumindest vorübergehend unter einer Harninkontinenz (ungewollter Harnverlust vor allem bei körperlicher Belastung) als auch einer mangelhaften bis fehlenden Erektionsfähigkeit. Je nach Operationstechnik, welche auch vom Tumor mitbestimmt wird, können sich beide Funktionen im Laufe der ersten Jahre wieder erholen, Garantie hierfür kann jedoch keine gegeben werden.

Zur Behandlung der Inkontinenz ist dann unter Umständen ein weiterer chirurgischer Eingriff vonnöten. Die Erektionsfähigkeit kann bedarfsweise entweder mit Tabletten oder Selbstinjektionen in den Penisschwellkörper behandelt werden.

 

Auch bei erhaltener Sexualfunktion führt eine Prostatektomie in jedem Fall zu Unfruchtbarkeit, da bei der Operation die Samenleiter durchtrennt werden müssen. Beim typischen Prostatakrebspatienten wird dies altersbedingt in der Regel kein vorrangiges Thema darstellen. Im Ausnahmefall besteht die Möglichkeit einer künstlichen Befruchtung nach Spermiengewinnung durch Gewebeentnahme aus dem Hoden.

Strahlentherapie

 

Eine Alternative zur radikalen Prostatektomie ist eine Bestrahlung der Prostata, die Heilungsraten sind nahezu vergleichbar. Die Frage, ob mittels einer Bestrahlung der Erhalt der sexuellen Potenz gewährleistet werden kann ist allerdings mit einem klaren "Jein" zu beantworten. Zumindest bei mittlerem und hohem Risikoprofil eine begleitende Hormontherapie ("chemische Kastration") über einen längeren Zeitraum empfehlenswert. Solange deren Wirkung anhält, mangelt es nicht nur an der Erektionsfähigkeit, sondern auch an der Libido, also überhaupt der Lust auf Sexualität. Was sich nach Absetzten der Behandlung wieder an Funktion einstellt bleibt jeweils im Einzelfall abzuwarten.

Als Nebenwirkung der Strahlenbehandlung ist eine Reizblase mit gesteigertem Harndrang zu erwarten, welche zwar ebenfalls bis zum ungewollten Urinverlust gehen kann, in den meisten Fällen jedoch medikamentös gut behandelbar ist und sich dann in der Regel auch nach einigen Monaten wieder beruhigt. Ähnliches gilt für Reizdarmbeschwerden mit häufigem Stuhldrang.

 

Bei ausgesprochen jungen Patienten mit sehr hoher Lebenserwartung muss vor einer Entscheidung zur Strahlentherapie auch das Risiko der Entstehung von Zweittumoren berücksichtigt werden. Hierunter versteht man die aufgrund der verwendeten Radioaktivität erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Tumorentstehung in anderen, dem Bestrahlungsfeld nahegelegenen Organen wie Harnblase, Mastdarm, Lymphknoten oder Haut, meist erst Jahrzehnte nach der Strahleneinwirkung.

 

Eine Sonderform der Strahlentherapie stellt die Brachytherapie dar. Hierbei wird die Prostata nicht von außen mit radioaktiver Strahlung beschossen, sondern mit radioaktiv geladenen Partikeln (Seeds) "gespickt". Diese Behandlung wird lediglich bei Tumoren mit niedrigem Risikoprofil empfohlen, eine begleitende Hormonbehandlung ist nicht notwendig.

Seit zunehmender Verbreitung der Active Surveillance (s.o.) hat die Brachytherapie als "Minimalvariante" an Bedeutung eingebüßt.

Fokale Prostatatherapien

 

Aus dem Wunsch nach Minimierung der Behandlungsfolgen einer Operation oder Bestrahlung wurden eine Reihe von Therapiemöglichkeiten entwickelt, welche zum Ziel haben lediglich die krebsbefallenen Anteile der Prostata zu behandeln, die übrige Prostata jedoch zu erhalten. Beispiele hierfür ist die Irreversible Elektroporisation (IRE), bei welcher mit Hilfe eines elektrischen Feldes (Krebs-)Zellen zerstört werden können, oder die HIFU, bei welcher Prostatagewebe mittels Ultraschallwellen erhitzt wird.

Echte Langzeitergebnisse die sich mit Prostatektomie oder Bestrahlung vergleichen ließen liegen (noch?) nicht vor, eine generelle Behandlungsempfehlung kann daher derzeit nicht abgegeben werden. In speziellen Situationen kann eine fokale Therapie trotzdem eine interessante Option darstellen.


Hormonbehandlung des Prostatakarzinoms

 

Bei einer Hormonbehandlung wird die Produktion des männlichen Geschlechtshormones (Testosteron) im Hoden unterdrückt. Dies geschieht entweder durch eine chirurgische Entfernung des Hodengewebes mit verständlicherweise unwiderruflichem Charakter, oder über Injektionen ins Unterhaut-Fettgewebe ("chemische Kastration").

Durch den entstehenden Testosteronmangel wird der Stoffwechsel der Tumorzellen gedrosselt und die weitere Tumorausbreitung gehemmt.

 

Wie zuvor bereits angesprochen kann es sinnvoll sein, begleitend zu einer Strahlenbehandlung eine Hormonbehandlung durchzuführen (adjuvante Hormonbehandlung). Da hierbei üblicherweise eine begrenzte Behandlungsdauer festgelegt ist, entscheidet man sich für die "chemische Kastration" .  Diese sind je nach Zubereitung entweder monatlich, vierteljährlich, halbjährlich oder jährlich zu verabreichen. Am gebräuchlichsten sind die Dreimonatsdepots.

 

Auch wenn ein Prostatakrebs nicht mehr heilbar ist oder aufgrund des Alters oder Gesundheitszustandes des Patienten eine Ausheilung nicht sinnvoll scheint, hat die Hormonbehandlung einen zentralen Stellenwert (palliative Hormontherapie). Ziel der Behandlung ist dann nicht, den Prostatakrebs zu heilen, sondern ihn an einer weiteren Ausbreitung zu hindern und so möglichst lange Zeit eine optimale Lebensqualität zu erhalten. Zur Überwachung der Behandlung werden regelmäßig der PSA-Wert und bei chemischer Kastration auch der Testosteronspiegel überprüft. Ist die Lebensqualität durch die chemische Kastration zu stark beeinträchtigt und ein stabiles Ansprechen nachweisbar, kann die Behandlung bis zum neuerlichen Anstieg des PSA-Wertes auch vorübergehend pausiert werden, ohne dass hierdurch ein gesundheitlicher Nachteil zu erwarten ist (intermittierende Hormonbehandlung).

 

Sind bereits Metastasen bekannt oder ist kein ausreichendes Ansprechen auf die Hormonbehandlung gegeben, ist diese mit sogenannten "modernen Antiandrogenen" (in Tablettenform) oder einer Chemotherapie zu kombinieren.